Gerry Adams, Präsident der irischen Linkspartei Sinn Féin war am Sonntag, den 1.März 2015, Redner auf der jährlichen Gedenkfeier in South Armagh zu Ehren der IRA Mitglieder Brendan Burns and Brendan Moley, die 1988 durch eine vorzeitig explodierende Bombe ums Leben kamen.
South Armagh ist die südlichste Provinz Nordirlands. Die von Großbritannien erzwungene Abspaltung Nordirlands vom Rest der Insel im Jahr 1921 und die willkürliche Grenzziehung schnitt Bauern von ihren Feldern ab und trennte die irischen Provinzen South Armagh (im Norden) und North Louth (im Süden). South Armagh ist eine Hochburg des irischen Republikanismus. Während des Konflikts konnte britisches Militär und nordirische Polizei ihre festungsähnlich ausgebauten Kasernen nur aus der Luft erreichen. Den Boden beherrschte die IRA mit großer Unterstützung und Akzeptanz in der Bevölkerung. Mit großer Mehrheit unterstützten und unterstützen die Republikaner in South Armagh jedoch den Friedensprozess und auch Sinn Féins 2007 geänderte Strategie der Akzeptanz der Polizei.
Todesdrohungen gegen Sinn Féin
Trotzdem gibt es noch wenig Vertrauen in die Polizei. Nicht nur, weil die alte paramilitärische Polizei Gegner im Konflikt war, sondern auch deshalb, weil Kriminelle im Konflikt oft ungehindert agieren konnten, wenn sie gleichzeitig für Polizei und Militär als Spitzel arbeiteten. Dieses Vakuum machen sich kriminelle Gangs zunutze. Das sind nicht harmlose Kleinschmuggler, die sich damit ein bisschen Geld verdienen, sondern Gangs der organisierten Kriminalität, beispielsweise im Bereich Heizöl/Dieselwäsche, die den toxischen Müll dann illegal verklappen.
Sinn Féin Aktivisten, die gegen diese Banden arbeiten, erhielten Todesdrohungen. Francis McCabe Junior, Sohn eines bekannten irischen Republikaners in South Armagh, der ebenfalls aus seiner Gegnerschaft zu diesen kriminellen Gangs keinen Hehl machte, wurde Ende Februar 2015 in der Nähe seines Hauses in Crossmaglen durch eine Rohrbombe schwer verletzt. Er hatte ein Plakat entfernen wollen, das Gegner der kriminellen Gangs als „Verräter“ bezeichnete.
Tausende waren dieses Jahr zur Gedenkfeier gekommen, um ihre Solidarität mit der Familie McCabe und anderen Betroffenen zu zeigen. Wir dokumentieren Teile der Rede des Sinn Féin Präsidenten Gerry Adams:
Gerry Adams: „Aufstehen für South Armagh“
„Der Mut und der Einsatz von Brendan Burns und Brendan Moley sind immer noch inspirierendes Vorbild für uns alle. Heute hat der Kampf eine andere Form. Es gibt eine friedliche und demokratische Möglichkeit, ein vereintes Irland zu erreichen. In den letzten Jahren haben wir Republikaner bedeutende Erfolge erzielt. Aus den Kommunal- und Europawahlen des letzten Jahres gingen wir als stärkste Kraft auf dieser Insel hervor. Im Mai finden die Wahlen (zum britischen Unterhaus) Westminster statt … und wenn der Taoiseach (Premierminister) Enda Kenny sich traut, werden irgendwann zwischen Mai 2015 und 2016 Wahlen im Süden stattfinden. Und wir sind gut aufgestellt, weiter zu wachsen … Deshalb sind unsere politischen Gegner zunehmend nervös und fangen an, mit Lügen und Unterstellungen zu arbeiten.
Anti-Sinn Féin Schmutz-Kampagne
In der letzten Zeit haben Teile der Medien, die (nordirischen Sozialdemokraten der) SDLP, sowie der Fianna Fáil Chef Mícheál Martin und der Taoiseach Enda Kenny eine bewusste Kampagne der Verunglimpfung und Dämonisierung gegen Sinn Féin und gegen die Bevölkerung von North Louth (südlich der Grenze) und South Armagh (nördlich der Grenze) geführt. Würden sie so viel Energie darauf verwenden, die Spaltung Irlands zu beenden und auf unsere unionistischen (pro-britischen) Nachbarn zuzugehen, wie sie in Schmutzkampagnen gegen uns stecken, wären die Probleme der Grenzregionen um einiges kleiner.
Die Spaltung Irlands ist falsch. Sie ist Unrecht. Sie gehört beendet. Sinn Féins historische Mission ist, sie zu beenden. Es gibt Leute in Dublin, die diese Region als Ausland betrachten. Wir sehen das nicht so. Sie behaupten, die IRA sei immer noch aktiv und betreibe Heizöl/Dieselwäsche, Schmuggel, die Vergiftung unserer Landschaft und unserer Menschen. Lasst mich auf die Lügen unserer politischen Gegner antworten:
- Irische Republikaner sind nicht in kriminelle Aktivitäten involviert, weder in der Grenzregion, noch irgendwo sonst
- Kein Republikaner ist in Heizöl/Dieselwäsche oder in die Vergiftung unserer Umwelt durch illegale Verklappung von toxischem Müll involviert.
- Kein Republikaner ist in Schmuggel, weder Tabak noch andere Produkte involviert,
- Kein Republikaner stiehlt Arbeitsgeräte oder Tiere aus Farmen.
Diejenigen, die in solche Aktivitäten involviert sind, sind Kriminelle. Sie tun es aus Eigennutz für Geld, aber nicht aus politischen Gründen. In den Jahren des Kriegs, als die Brendans und andere aktiv waren, trauten sich solche Kriminelle für gewöhnlich nicht aus der Deckung. Der Grund ist offensichtlich.
Aber im Frieden sind die kriminellen Gangs in North Louth, South Armagh und County Monaghan frecher und gefährlicher geworden und haben sich besser organisiert. Sie waren verantwortlich für den Tod des Polizisten Adrian Donohoe, von Paul Quinn und des IRA-Mitglieds Keith Rogers, für die Schüsse auf Michael Bellew, die brutalen Attacken auf andere. Letzte Woche versuchten sie Francis McCabe Junior zu ermorden. Ich wünsche Francis alles Gute und hoffe auf seine baldige Genesung … Die die Bombe anbrachten, kümmerten sich nicht darum, wen sie töten würden. Sie wollten diejenigen in South Armagh einzuschüchtern und terrorisieren, die gegen kriminelle Gangs aufstehen …
Es gab massive Einschüchterungsversuche, darunter auch den Versuch, den Namen von Michael Carragher in den Schmutz zu ziehen. Er ist hier weithin bekannt und respektiert und ich bin stolz darauf, ihn Genosse und Freund zu nennen. Die diese Kampagne treiben, haben keine Unterstützung der Bevölkerung in South Armagh. Einige von ihnen versuchen, sich als Republikaner darzustellen. Das sind sie nicht. Sie sind gegen Sinn Féin, weil wir ihre Machenschaften bekämpfen. Es gab Todesdrohungen gegen Frank McCabe Senior und gegen unseren Abgeordneten Conor Murphy.
Polizei muss faire Polizeiarbeit zeigen
Vor acht Jahren änderte Sinn Féin ihre Haltung und akzeptierte die Polizei. Es gab viele Diskussionen, Beispiele von Misshandlungen durch die alte RUC. Aber die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung in South Armagh unterstützt Sinn Féin. Eine noch größere Zahl unterstützt den Friedensprozess. Es gibt keine Unterstützung für Kriminelle oder für diejenigen, die die republikanischen Ideale in den Dreck ziehen. Die Bürgerinnen und Bürger dieses Staates verdienen und fordern eine vernünftige Polizei. Ich appelliere an jeden von Euch, der Informationen über diese Gangs oder die Morde an Paul Quinn, dem Polizisten Adrian Donohoe oder Keith Rogers hat, diese der PSNI oder der An Garda Síochána mitzuteilen. Oder wendet Euch an mich oder andere Personen Eures Vertrauens, die die Informationen dann weitergeben.
Aber auch die Polizei steht vor einer Herausforderung. Wir sehen immer wieder, dass die alte Garde eine anti-republikanische Agenda hat. Die PSNI muss zeigen, dass sie ihre Polizeiarbeit fair und objektiv durchführt und dass sie die Bevölkerung hier unterstützt, wenn diese sich Kriminellen entgegenstellen. Ich habe mich mit führenden Polizeioffizieren und Gardaí-Offizieren getroffen, um das Vorgehen gegen kriminelle Gangs zu besprechen. Es ist wichtig, dass die Polizei aktiv wird und Ergebnisse erzielt. Sollten PSNI oder An Garda Síochána mehr Ressourcen benötigen, um das Problem in den Griff zu bekommen, so muss das gemacht werden. Wir brauchen auch eine bessere Zusammenarbeit zwischen An Garda Siochána, der PSNI und anderen Justiz- oder Polizeistellen. Ich weiss, dass Martin McGuinness dieses Thema mit dem Taoiseach besprechen will. Die Justizminister müssen gemeinsam eine Strategie entwickeln. Ich habe auf jeden Fall vor, dieses Thema mit dem Polizeibeauftragten und dem Justizminister weiterzuverfolgen. Martin McGuinness wird den PSNI Chief Constable treffen.
Viele hier glauben, dass die Kriminellen von der Polizei gedeckt werden, dass es eine andere Agenda gibt, dass diese Gangs gegen Sinn Féin genutzt werden im Auftrag der Kräfte im britischen Geheimdienst und in der Polizei, die Gegner des Friedensprozesses sind. Wir haben das schon erlebt, hier, in West Belfast, in Derry und an anderen Orten. Sie kommen damit nicht durch. Die Menschen hier haben sich während des Konflikts nicht einschüchtern lassen. Nicht vom britischen Militär, nicht von loyalistischen (pro-britischen) Todesschwadronen. Sie standen fest und boten der britischen Militärmaschinerie die Stirn. Dies ist eine wunderschöne Gegend. Mit viel Potenzial. Unsere jungen Leute haben die hart errungene Chance, dass es ihnen besser geht und sie verdienen das … Wir dürfen Kriminellen und ihren Strippenziehern nicht erlauben, die existierenden Chancen auf echten Frieden, Veränderung und Fortschritt zu vernichten. Wir müssen an der Seite unserer Nachbarn stehen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Polizei ihre Arbeit macht, für die sie bezahlt wird. Ich fordere Euch alle auf, die Bevölkerung, den GAA, Community-Gruppen und -Organisationen, zusammenzukommen und gemeinsam für South Armagh aufzustehen!
Machen wir das gemeinsam!
Bericht aus Creggan in South Armagh, 1. März 2015: Gedenken an Brendan Moley und Brendan Burns
Deutsche Übersetzung: Uschi Grandel, 2.3.2015, Erläuterungen in Klammern
Video der Demonstration mit der vollständigen Rede von Gerry Adams (in englischer Sprache) >>