Britische Militärkaserne in South Armagh

Immunität für britische Soldaten?

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Immunität als Ultima Ratio. Gegenwärtige und historische Versuche der britischen Regierung, Angehörige ihrer Streitkräfte vor Strafverfolgung zu bewahren

 Einleitung

Ein höchst brisantes Dokument taucht zunächst als Link auf der Facebook-Seite der NGO Relatives for Justice auf, die Belfaster Organisation kümmert sich um Opfer britisch-loyalistischer Gewalt und setzt sich für deren Rechte ein. Der Titel des Papiers klingt zunächst ebenso harmlos wie bürokratisch „Untersuchung von Todesfällen in Nordirland unter Beteiligung von britischen Streitkräfteangehörigen: Regierungsreplik bezüglich des siebten Reports des Komitees der Sitzungsperiode 2016-17“. Der Inhalt ist aber alles andere als harmlos. In ihrer Antwort auf den Bericht schlägt die britische Regierung vor, ein so genanntes Begrenzungsstatut einzuführen. Dies soll „alle konfliktbezogenen Zwischenfälle, bis zur Unterzeichnung des Karfreitagsabkommens, in die ehemalige Armeeangehörige verwickelt waren[abdecken]“. Der Zweck dieses Begrenzungsstatutes ist es Angehörige der britischen Streitkräfte vor einer eventuellen Strafverfolgung zu bewahren.

Das Dokument und die mögliche Bewahrung der Angehörigen der Streitkräfte vor einer Strafverfolgung stehen scheinbar im Gegensatz zu einer von konservativen Zeitungen wie der Sun und der Daily Mail im vergangenen Jahr lancierten Kampagne. Im Rahmen dieser veröffentlichten sie Artikel, in denen von einer Hexenjagd gegen ehemalige Streitkräfteangehörige gesprochen wurde. Die Artikel monierten, dass ehemaligen IRA Angehörigen Straffreiheit zugesichert würde, es ehemaligen Soldaten aber durchaus passieren könnte, dass sie aus ihrer Seniorenresidenz direkt auf die Anklagebank gezerrt würden. Kurzum, die beiden Blätter bemühten sich den Anschein entstehen zu lassen, dass Veteranen und die von ihnen möglicherweise begangenen Straftaten schärfer und konsequenter verfolgt würden, als die Angehöriger republikanischer Organisationen und ihre Straftaten.

Nüchterne Zahlen sprechen eine andere Sprache: während des Nordirlandkonflikts haben Sondergerichte über irisch-republikanische Aktivist/innen mehr als 100 000 Jahre Gefängnis verhängt und auch in kleinerem Umfang immer wieder Mitglieder pro-britischer Gruppierungen verurteilt. Angehörige der britischen Sicherheitskräfte wurden dagegen fast nie vor Gericht gestellt. Warum also die Initiativen zum Schutz für ehemalige Streitkräfteangehörige zwanzig Jahre nach Verabschiedung des Karfreitagsabkommens, das den bewaffneten Nordirland­konflikt beendete?

Viele Verbrechen des Konflikts wurden lange Zeit nicht aufgeklärt. Das gilt vor allem in Fällen, in die britische Sicherheitskräfte involviert waren. Hartnäckige Kampagnen der Familien der Opfer haben über Jahrzehnte viele konkrete Fälle des verborgenen Kriegs, den Großbritannien in Nordirland von 1970-1998 führte, aufgedeckt. Beispielsweise führt die ehemalige Journalistin und Expertin der NGO Pat Finucane Centre, Anne Cadwallader, in ihrem 2013 erschienen Buch „Lethal Allies – tödliche Verbündete“ den Nachweis, dass allein in der Grenzregion zur Republik Irland zwischen 1972-1978 mehr als 120 Zivilisten – Bauern, Ladenbesitzer, Politiker – durch eine pro-britische Todesschwadron mit aktiver Unterstützung  von Armee, nordirischer Polizei und Sondereinheiten der Armee, wie der Special Reconaissance Unit (SRU) ermordet wurden.

Für die britische Regierung ist Straffreiheit kein Selbstzweck, sondern soll verschleiern, dass die britische Armee aktiv am Konflikt beteiligt war. Dann Gerichtsurteile wegen Mordes zerstören die Darstellung als neutrale Instanz. Im jetzigen festgefahrenen Regierungsbildungsprozess gießt der  Vorschlag der britischen  Regierung Öl ins Feuer.

Grundlage des Vorschlages ist der Streitkräftepakt, über den die Regierung folgendes in ihrer Antwort schreibt: „Der Streitkräftepakt ist ein Versprechen des Volkes an diejenigen die in den Streitkräften dienen oder gedient haben und an ihre Familien, dass sie gerecht behandelt werden und ihnen keine Nachtteile entstehen, wenn sie öffentliche oder private Dienstleistungen in Anspruch nehmen“. Die Forderung,  Angehörige der Streitkräfte durch eine Immunitätsgesetzgebung zu schützen, ist allerdings  weder originell noch ist ein solches politisches Manöver ohne historisches Vorbild. Bereits 1976 befand sich ein Immunitätsgesetz in Vorbereitung, ohne jedoch umgesetzt worden zu sein. Anlass hierfür war die Verhaftung von acht Angehörigen des Special Air  Service Regiments (SAS) im Mai des Jahres durch die irische Polizei, als erstere illegal die Grenze zur Republik Irland überschritten.

Die Grenzregion

Das Jahr 1976 war das zweitblutigste Jahr des Nordirlandkonflikts. 308 Menschen starben, 220 waren Zivilisten (Lost Lives). An der Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland schien es, als hätte die britische Regierung die Kontrolle über die Region verloren. Dies zeigte unter anderem ein Beitrag des Panorama Magazins der BBC .Die Filmcrew machte für den Beitrag Aufnahmen von britischen Armeehelikoptern und eine Stimme aus dem Off kommentierte, dass es für die Armee in der Grenzregion zu gefährlich sei in Fahrzeugen die Grenze zu patrouillieren. Um dieser Wahrnehmung entgegenzutreten entsandte die britische Regierung am 7. Januar das SAS Regiment in den Süden der Grafschaft Armagh. Dies war insofern ein Novum, weil die britische Regierung zum ersten Mal den Einsatz der SAS in Nordirland öffentlich machte. Für einige Angehörige des Regiments war Nordirland jedoch kein Terra incognita, da wie ein britisches Regierungsdokument aus dem Jahr 1974 zeigte, dass SAS Angehörigen in der SRU dienten. Hierbei handelte es sich um eine Einheit der britischen Armee, die Aktivitäten von loyalistischen und republikanischen Gruppen überwachte. Das SAS Regiment war jedoch nicht nur innerhalb der Grenzen der Grafschaft Armagh aktiv, sondern griff bereits im März des Jahres auf das Territorium der Republik Irland über. Am 12. März des Jahres überfiel das Regiment den IRA Kommandanten Sean McKenna in seinem Haus in Edentubber in der Grafschaft Louth, verschleppten ihn über die Grenze und übergaben ihn dort der britischen Armee. Der Übertritt der SAS rund einen Monat später war damit eine Wiederholungstat. Interessanterweise blieb dieser Grenzübertritt jedoch ohne Folgen. Dies wirft eine Reihe von Fragen auf, die nicht in den Rahmen des Textes passen und daher nur kurz angerissen werden. Gingen Erfolg und Verhaftung für die irische Regierung Hand in Hand? Anders formuliert, ließ Dublin britische Spezialkräfte im eigenen Territorium schalten und walten so lange es auch der irischen Sicherheit diente? Andererseits ist es aber möglich zu fragen, ob der erste Grenzübertritt eine Art Warnung für Dublin war. Kontrollierten irische Polizisten und Armee die Grenze besser, weil man sie bereits einmal übertölpelt hatte? Diese Fragen zu klären, würde Einsicht in die entsprechenden irischen Akten erforderlich machen und stellt daher ein gesondertes Thema dar.

Wie die Schilderungen zeigen, war die Lage in der Grenzregion reichlich verworren. Loyalistische und republikanische Gruppen bekriegten einander, die britische Armee steuerte und unterstützte die loyalistischen Gangs, flog über die Köpfe der Bevölkerung hinweg und kontrollierte sie auf Schritt und Tritt und mittendrinn operierte das SAS Regiment in Eigenregie. Leidtragende der „Banden“ und der „Bandenbekämpfung“ war die Zivilbevölkerung, deren Schutz im Kalkül der britischen Armee keinen Vorrang hatte. Statt die Morde an der Grenze zu verhindern galt das Interesse eher dem Kampf gegen Republikaner. Dieses Kalkül dürfte auch bei dem Grenzübertritt am 6. Mai eine Rolle gespielt haben.

Der illegale Grenzübertritt

Ein irisches Regierungsdokument ohne Datumsangabe rekonstruierte, wann, wie, auf welche Weise und wo die achten SAS Männer die Grenze zur Republik Irland überschritten hatten. Zusätzlich machte es Angaben zu Waffenfunden in den Fahrzeugen mit denen die britischen Soldaten unterwegs waren. „Gegen 22 Uhr 50 am 5. Mai 1976 wurde ein Fahrzeug an der Flagstaff Road, kurz hinter der Grenze in Co. Louth angehalten. An Bord befanden sich zwei in Zivil gekleidete Männer, von denen Einer jedoch eine Uniformjacke trug. Die Insassen teilten mit, dass sie in der britischen Armee, neu in der Gegend und unterwegs gewesen seien, um ein Fahrzeug zu erproben. Um 2.30 am 6. Mai wurden zwei weitere Fahrzeuge gestoppt. Im ersten Wagen befanden sich vier Männer in Zivil und im Zweiten zwei in Uniform. Die Gesamtmenge an gefundenen Waffen, verteilt auf die drei Fahrzeuge, belief sich auf 3 Maschinenpistolen, 3 Pistolen, eine Schrotflinte mit abgesägten Lauf und einem Dolch. Die acht Männer wurden über Nacht in Dundalk festgesetzt.“

Dieser Schilderung widersprachen sowohl eine erste Stellungnahme des britischen Verteidigungsministeriums, als auch ein Telex des Botschafters in Dublin an Premierminister James Callaghan. Die Stellungnahme des Verteidigungsministeriums machte keine Angaben zu den Waffen und gab als Grund für die Grenzüberschreitung an, die Soldaten hätten ihr Kartenmaterial falsch ausgewertet. „In den frühen Morgenstunden des heutigen Tages griffen 8 Angehörige des Special Air Service Regiment während einer Routinepatrouille versehentlich auf das Territorium der Republik Irland über. Nachdem sie ungefähr 500 Meter gefahren waren, trafen sie auf einen Kontrollpunkt, der von der irischen Polizei besetzt war.  Sie stellten fest, dass sie ihre Karte falsch gelesen hatten und begleiteten die Polizisten auf eine Wache. Sie sind immer noch da und wir stehen mit den irischen Behörden in Verbindung.“ Das Telex an Premier Callaghan ging im Gegensatz zur Pressemitteilung, die für die Öffentlichkeit bestimmt war, tiefer ins Detail, gab andere Gründe für den Grenzübertritt an und machte Angaben zu den mitgeführten Waffen. „Um ungefähr 1.00 am 6. Mai übertraten 8 SAS Männer in drei Fahrzeugen westlich von Clontygora aus Versehen die Grenze zur Republik Irland. 300-400 Meter innerhalb irischen Hoheitsgebiets wurden die Fahrzeuge an einem Kontrollpunkt der Garda aufgehalten. Zwei der acht Männer trugen Uniformen eines Fallschirmjäger Regiments, die restlichen 6 waren in Zivil. Die Männer waren unterwegs mit 5 Pistolen, 4 Maschinenpistolen, 1 Schrotflinte, 1 Selbstladegewehr, insgesamt 11 Waffen.“ Aus den verschiedenen Berichten lassen sich zunächst einmal die grundsätzlichen Fakten herausdestillieren. Es kam zu einem Grenzübertritt, an dem acht Männer beteiligt waren. Die Soldaten waren in Autos unterwegs und führten Waffen bei sich. Kurz hinter der Grenze stellte die irische Polizei sie, nahm sie in Gewahrsam und brachte sie mit einiger Wahrscheinlichkeit nach Dundalk. Über die restlichen Fakten lässt sich zunächst nur spekulieren bzw. ist es möglich sie durch Ausschlussverfahren zu eliminieren. Es erscheint nun einmal unwahrscheinlich, dass die acht SAS Männer sich auf einer Spritztour befanden und sich dabei auf das Territorium der Republik verirrten. Da ist zunächst einmal die Frage nach den Waffen. Wieso brauchten die SAS Männer Waffen für ihre Spritztour? War es ihnen nur mit einer nicht unerheblichen Anzahl dieser möglich das Auto auszutesten? War die Lage in dieser Grenzregion derartig gefährlich? Sollte sich dies bestätigen, dann begaben sich die Männer willentlich und ohne Veranlassung in Gefahr. Mit Sicherheit barg ihre normale Tätigkeit als Spezialkräfte genug Risiko und Adrenalin, sodass es unwahrscheinlich ist, dass sie einen zusätzlichen Kick benötigten. Zu der Fadenscheinigkeit des Argumentes, dass die Soldaten vorbrachten trägt bei, dass es sich bei dem ersten angehaltenen Fahrzeug kaum um einen militärischen Prototyp handelte, der im Gelände erprobt werden musste. Dies hätten die irischen Behörden bemerkt, bzw. es wäre den Polizisten aufgefallen. Bei der Erklärung die Männer hätten sich auf einer Spritztour befunden handelt es sich wohl um eine schlecht konstruierte Irreführung.

Ebenso wenig plausibel ist die Erklärung, dass die Männer auf Basis eines Kartenlesefehlers auf das Territorium der Republik Irland gelangt waren. Auf den ersten Blick erscheint diese Erklärung recht plausibel, da die Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland fließend über Felder, Bäche und durch Hecken verläuft. Grenzübertritte von wenigen Metern sind daher nicht unwahrscheinlich. Inwiefern das Kartenmaterial des britischen Militärs den Grenzverlauf akkurat abbilden konnte, vermag ich nicht zu beurteilen. Ein Kartenlesefehler kann aber nicht nur auf inakkuratem Kartenmaterial beruhen, sondern auch auf Lesefehlern des militärischen Personals. Dies würde aber bedeuten, dass entweder der Soldat, der das Kartenmaterial mit sich führte, oder die gesamte Gruppe keine guten Kartografie Kenntnisse besaßen. Sollte der Fehler damit bei einem Individuum oder einer Gruppe gelegen haben, wäre dies bezeichnend für die Ausbildung innerhalb des Eliteregiments. Dennoch gilt es auch bei dieser Erklärung einige Bedenken anzumelden. Zunächst einmal verwundert es, warum ein Elite Regiment überhaupt eine Routinepatrouille übernahm. Es gab sicherlich andere und bessere Verwendungszwecke für die Angehörigen des Regiments. Außerdem, wenn es sich eine um eine Routinepatrouille handelte, war den Soldaten das Gelände und die Strecke, die sie abzulaufen hatten bekannt. Warum hielten sich die Soldaten nicht an die vorgegebene Route? Beide Erklärungen, die Spritztour, sowohl als auch die verirrte Routinepatrouille stellen somit keine stichhaltigen Erklärungen für den Grenzübertritt dar. Den eigentlichen Grund für den Grenzübertritt offenbarte der britische Botschafter in Dublin, als er dem irischen Außenminister am 6. Mai einen Besuch abstattete.

Der britische Botschafter entschuldigte sich zunächst für den illegalen Grenzübertritt und erbat dann die Rückgabe der Männer und der Waffen. Als Erklärung für den Übertritt auf das Territorium der Republik Irland gab der Botschafter folgendes an: „zunächst [seien]drei Soldaten in einem Zivilfahrzeug zu den Koordinaten G.R. 091194 geschickt worden, um in der Nähe des Grenzüberganges H4 einen Beobachtungsposten aufzubauen. Als um Mitternacht von ihnen noch keine Meldung vorlag, wurden zwei weitere Fahrzeuge zu den Koordinaten G.R. 091194 ausgesandt, um nach ihnen zu suchen.“ Diese Version ist wohl die stimmigste Erklärung, warum die Männer die Grenze überschritten. Einen Beobachtungsposten aufzubauen und potentielle Ziele zu überwachen fällt eher in den Aufgabenbereich eines Eliteregimentes als die Grenze entlang zu marschieren, um zu überprüfen ob auch alles okay ist. Außerdem hatte der britische Botschafter als Bittsteller keine Veranlassung zu lügen oder die irische Regierung in die Irre zu führen. Botschafter Galsworthy ging mit Sicherheit davon aus, dass wenn er sich entschuldige und ehrlich erkläre, was die Männer getan hatten, könnte man ihm die Männer mit samt ihren Waffen überstellen und die Angelegenheit wäre erledigt. Doch ganz so einfach ließ sich der Zwischenfall nicht bereinigen.

Die Auseinandersetzung um die SAS Männer und um das Verfahren gegen sie

Galsworthy hatte sich entschuldigt und die Faken dargelegt, dies reichte dem irischen Außenminister jedoch nicht aus. Er erläuterte, in welch missliche Lage der Grenzübertritt die irische Regierung gebracht hatte. „Der Minister erläuterte die Schwierigkeiten, die uns der Zwischenfall bereitete. Gerade in dieser Gegend sei vor kurzem eine Person entführt worden, die sich nun in Nordirland in Gewahrsam befand. Er wies auch darauf hin, dass es notwendig sei die Identität der Männer zweifelsfrei zu klären, nicht zuletzt deswegen, weil die meisten der Männer in Zivil waren und in dieser Gegend könne man nicht einmal sicher sein, dass es sich bei denjenigen, die Uniform trugen um echte Soldaten handle.“ Ohne eindeutig zu klären, dass die einsitzenden Männer wirklich Angehörige eines britischen Spezialkommandos waren, konnte die irische Regierung sie nicht entlassen. Später am selben Tag, stellte sich jedoch heraus, dass dies lediglich ein vorgeschobener Grund gewesen war, die Männer nicht freizulassen. Ein Mitarbeiter des irischen Außenministeriums teilte gegen 14.20 dem Botschafter mit, dass die Polizei den Fall der acht SAS Männer an die irische Staatsanwaltschaft verwiesen hatte. Er gab dem Botschafter aber zu verstehen, dass der Fall im Kabinett beraten werde und dass das Außenministerium hoffe, der Fall würde im Sinne der britischen Regierung ad acta gelegt. Diese Hoffnung löste sich jedoch rund eine Stunde später in Luft auf. Der irische Außenminister rief den Botschafter aus der Kabinettssitzung heraus an, um ihn über die Entscheidung des Staatsanwaltes zu informieren. Dieser hatte sich entschlossen ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und die acht Männer würden später in Dublin einem Haftrichter vorgeführt. Anklage würde wegen Waffenbesitz ohne Waffenschein und Waffenbesitz mit Gefährdungsabsicht erhoben. Nachdem die britische Botschaft Kaution für die Männer beim Gericht hinterlegt hatte, verbrachte sie die Männer außer Landes. Dieser Schritt bedeutete jedoch nur eine Atempause für London. Die Anklage des irischen Staatsanwaltes hatte neue Probleme aufgeworfen. Sollten die Männer für ihr Verfahren nach Dublin zurückkehren, wie konnte ihre Sicherheit gewährleistet werden, ließ es sich arrangieren, dass der Staatsanwalt davon absah die Soldaten wegen des Kapitalverbrechens des Waffenbesitzes mit Verletzungsabsicht anzuklagen und konnte London von Dublin eine Zusicherung bekommen, dass sollte es zu einer Verurteilung kommen, die irische Regierung den Männern ihre Strafe erlassen würde? Eine Reihe von britischen Ministern darunter der Außen-und der Nordirlandminister, der Botschafter in Dublin, sowie Mitarbeiter der britischen Staatsanwaltschaft und des Verteidigungsministeriums bemühten sich zufriedenstellende Antworten auf diese Fragen zu finden. Bis zum Februar 1977 waren London und Dublin zu keiner Übereinkunft gekommen, die die britische Regierung restlos befriedigte. Zusätzlicher Druck entstand dadurch, dass das Verfahren gegen die SAS Männer für den 8. März des Jahres angesetzt war. Daher ersann Verteidigungsminister Frederic Mulley die Idee ein Immunitätsgesetz in das britische Unterhaus einzubringen, um die SAS Männer vor der Vollstreckung des Haftbefehls gegen sie zu schützen.

Die Idee einer Immunitätsgesetzgebung wird geboren und diskutiert

In einem Memo an Premierminister Callaghan vom 4. Februar 1977 schrieb Mulley folgendes: „ Falls der Hauptanklagepunkt nicht fallengelassen wird oder wir keine zufriedenstellenden Zusicherungen wegen der Sicherheit der Männer und dem Erlass ihrer Strafe bekommen, wäre es trotz aller Schwierigkeiten so, als schiene unsere einzige Handlungsoption darin zu bestehen ein Immunitätsgesetz ins Parlament einzubringen, um die Männer vor der Vollstreckung des Haftbefehls zu bewahren. Da uns nur wenig Zeit bleibt, bin ich der Überzeugung wir sollten mit der Erstellung eines solchen Gesetzentwurfes fortfahren, um eventuell darauf zurückgreifen zu können und falls Sie und der Innenminister zustimmen, werde ich meine Beamten bitten sich mit dem Innenministerium zu beraten um eine Stellungnahme zur Umsetzung zu erarbeiten.“ Verteidigungsminister Mulley schien einen gewissen Argwohn gegenüber der irischen Regierung und dem irischen Staatsanwalt zu hegen, ansonsten wäre es ihm nicht eingefallen, ein solches Gesetz vorzuschlagen. Außerdem zog er mit seinem Vorschlag das irische Rechtssystem in Zweifel und demonstrierte seine Bereitschaft es aus den Angeln zu heben. Er offenbarte, dass er den Vorwürfen des irischen Staatsanwaltes einiges an Gewicht beimaß und wenig Zutrauen zu den Verteidigern der SAS Männer hatte. Das Argument des Zeitdrucks, sowie der Versuch für alle Eventualitäten vorzusorgen, sollten Mulleys Zweifel und Argwohn lediglich kaschieren. Der Vorschlag ein Immunitätsgesetz ins Parlament einzubringen, schien Premierminister Callaghan nicht unproblematisch zu sein. Drei Tage nach Erhalt von Mulleys Memo, bat er Vertreter des Außen-und Innenministeriums den Vorschlag zu kommentieren.

Eine erste Einschätzung des Vorschlages kam aber nicht aus den beiden genannten Ministerien, sondern von Nordirlandminister Roy Mason. Dieser war bereits am 2. Februar um eine Lageeinschätzung gebeten worden und hatte in der Zwischenzeit Mulleys Memo gelesen. Er schrieb: „ Es würde mich gänzlich zufriedenstellen, wenn Schritte zur Umsetzung der Erstellung eines Gesetzentwurfes in Erwägung gezogen würden, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ich es nicht akzeptieren, dass es unter den von Fred Mulley beschriebenen Umständen unumgänglich sein wird, diese Maßnahme zu gebrauchen. Dies wäre eine sehr bedenkliche Entscheidung .Und bevor sie so weit gehen, bin ich davon überzeugt, dass meine Kollegen die Risiken für die Männer, falls sie den Kautionsbedingungen Folge leisteten, mit den schwerwiegenden Auswirkungen für die Anglo-Irischen Beziehungen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, falls sie es nicht täten, abzugleichen wünschen. Außerdem sollten wir die zusätzlichen Risiken für die 14.000 Soldaten im Land [Nordirland] unter die Lupe nehmen und uns mit dem Fakt vertraut machen, dass es große Schwierigkeiten gäbe die Rückgabe von Soldaten sicherzustellen, die die Grenze überschreiten, egal wie unschuldig die Männer daran sind.“ Masons Debattenbeitrag wies zu Recht daraufhin, dass die britische Regierung in Bezug auf Nordirland keine Entscheidungen im Vakuum traf und dass jedwede Entscheidung Rückwirkungen auf die Anglo-Irischen Beziehungen hatte und auch auf die grenzüberschreitende Kooperation. Als ehemaligem Verteidigungsminister lag ihm das Wohl der gesamten Truppe und nicht das Wohl von acht Männern am Herzen. Deshalb reagierte er wohl auch reservierter auf Mulleys Vorschlag. Für Mason stellte die Gesetzgebung damit eine Art von Ultima Ratio dar.

In eine ähnliche Richtung argumentierte auch Außenminister Anthony Crosland am 10. Februar. „ Ich muss meine Meinung noch einmal deutlich machen, dass falls die Männer nicht nach Dublin zurückkehren dies sehr schwerwiegende Konsequenzen, nicht für die britische Regierung, die die Kaution gestellt hat [und] die dann als vertrauensbrüchig angesehen würde, sondern auch für die Anglo-Irischen Beziehungen und die grenzüberschreitende Kooperation; aber vor allen Dingen für unsere Soldaten, die sich zukünftig über die Grenze verirren hätte, eine Möglichkeit, die wir nicht außer Acht lassen können. Falls es dennoch entschieden wird ein Immunitätsgesetz für den Eventualfall vorzubereiten, wäre ich dankbar, wenn meine Beamten umfänglich über das informiert werden, was vorgeschlagen wird.“ Crosland griff direkt Masons Argumente auf und fügte ihnen die direkten Konsequenzen für die britische Regierung hinzu. Im Gegensatz zu Mason war Crosland aber nicht der Meinung die Regierung sollte einen Gesetzentwurf vorbereiten. Es war für ihn eine theoretische Möglichkeit, die aber nicht unbedingt ausgearbeitet werden müsse.

Croslands Position stellte damit in der Debatte den gegenüberliegenden Pol zu Mulley dar. Mulley war der festen Überzeugung, dass kein Weg an einem Immunitätsgesetz vorbeiführe, wenn Dublin die geforderten Garantien nicht erbrachte. Crosland war angesichts der Argumentation von Mason überzeugt, dass ein solches Gesetz überhaupt nicht benötigt wurde. Er glaubte nicht einmal, dass die Regierung einen Entwurf zu einem solchen Gesetz erstellen würde. Nordirlandminister Roy Mason lag mit seinen Einschätzungen zwischen den beiden Positionen. Dort positionierte sich auch Innenminister Merlyn Rees. Ebenfalls am 10. Februar hatte dieser seine Meinung zu Papier gebracht. Er schrieb:„ Ich stimme dem zu, dass wir für den Fall vorbereitet sein müssen, dass wir von den Iren keine derartigen Zusicherungen bekommen, die es den Männer ermöglichen gefahrlos ihrem Verfahren beizuwohnen und dass es vernünftig ist, eine Immunitätsgesetzgebung vorzubereiten.“ Im englischen Originaltext hat sich in diesem Textausschnitt ein Tippfehler eingeschlichen. Statt des Wortes immunity bill, also Immunitätsgesetzgebung fand sich das Wort indemnity bill. Indemnity bedeutet Schadensersatz. Durch diesen Tippfehler, kann man somit einen wertvollen Einblick in die Gedankenwelt von Merlyn Rees bzw. des Mitarbeitenden seines Ministerium, der den Text verfasst hat, gewinnen. Rees hätte wohl am liebsten von der irischen Regierung Schadensersatz dafür verlangt, dass sie es gewagt hatte britische Militärangehörige festzusetzen und ihnen ihre Waffen abzunehmen. Ähnlich wie Mulley unterstellte Rees der Regierung in Dublin sie könnte sich im Zweifelsfall unlauter verhalten. Dies ist aber nur ein kurzer Exkurs, der zur Meinung von Rees zurückführt. Rees empfahl zwar die Erstellung eines Gesetzentwurfes, er empfahl jedoch nicht diese einzusetzen. Zu diesem Schluss war er vor allen Dingen durch Masons Argumentation gelangt, die ihn beeindruckt hatte. „ Die schwerwiegenden Nachteile des Gesetzes auf die der Nordirlandminister in seinem Schreiben GEN 17 (77) 1 hinwies, haben mich nachhaltig beeindruckt und wir sollten die Umstände sehr gewissenhaft abwiegen, bevor wir uns entschließen diesen Weg einzuschlagen.“ Rees bemerkte abschließend, dass seine Beamten bereit stünden mit dem Verteidigungsministerium, dem Nordirlandministerium und dem Schottlandministerium in die Diskussion über die Form des Gesetzes einzutreten.

In der Debatte um die Immunitätsgesetzgebung waren drei Minister dafür eingetreten, das Gesetz vorzubereiten, lediglich Crosland hatte sich gegen die Vorbereitung ausgesprochen. Komplette Übereinstimmung herrschte dahingehend, dass ein solches Gesetz entweder gar nicht oder nur nach reichlicher Überlegung zum Einsatz kommen sollte. Diese Position übernahm auch Premierminister James Callaghan und so teilte ein Mitarbeiter des Premierministers dem Nordirlandministerium mit, dass Callaghan „einverstanden sei einen Gesetzesentwurf für den Individualfall vorzubereiten, er jedoch nicht davon überzeugt sei das Gesetz zu nutzen.“ Mit diesem Schreiben schloss Callaghan die Debatte und gab den weiteren Weg für die Immunitätsgesetzgebung vor. Nicht mehr die Ressortchefs beschäftigten sich in der Folge mit dem Gesetz, sondern Beamte und Verwaltungsfachleute. Dies bedeutete jedoch nicht, dass sich nun das Wesentliche hinter verschlossenen Türen abspielte. Der Premierminister und das Kabinett wurden über den Gesetzgebungs-und Genehmigungsprozess auf dem Laufenden gehalten.

Der Gesetzesentwurf nimmt Form an

Rund zehn Tage nachdem Callaghan seinen Beschluss gefasst hatte, informierte Innenminister Rees den Geschäftsführer des Unterhauses Michael Foot, dass nun der Zeitpunkt gekommen sei, wo er die Berechtigung benötige den parlamentarischen Rat einzuberufen. „ Auf einem Ministertreffen letzte Woche wurde ich gebeten, die Erstellung eines Gesetzesentwurfes für den Eventualfall zu veranlassen. Es ist nun der Zeitpunkt erreicht, an dem wir die Zustimmung zur Einberufung des parlamentarischen Rates benötigen.“ Der parlamentarische Rat besteht aus einer Reihe von Anwälten, die auf die Erstellung von Gesetzen spezialisiert sind. Rees fügte an, dass er die Zustimmung hierfür so schnell wie möglich benötige, weil das Verfahren gegen die SAS Männer für den 8. März angesetzt wurde. Am folgen Tag stimmte der Kronrat der Einberufung des parlamentarischen Rates zu. Er empfahl „in dieser heiklen Angelegenheit die Geschäftsführer beider Häuser in den ministeriellen Beratungsprozess mit einzubeziehen.“ Aus der Empfehlung des Kronrates lässt sich klar erkennen, dass die Debatte um die Immunitätsgesetzgebung nicht an Brisanz verloren hatte und dass noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten war. Zudem bestand immer noch die Gefahr, dass wenn die Pläne der Regierung an die Öffentlichkeit gelangten es den Anglo-Irischen Beziehungen und der Position der  Regierung gegenüber der britischen und irischen Öffentlichkeit schaden könne. Sollte die Regierung in Dublin und die irische Öffentlichkeit von den Plänen hören, so mussten sie annehmen, die britische Regierung handle böswillig und wolle die irische Strafverfolgung aus den Angeln heben. Zudem musste sich in einem solchen Fall für Dublin die Frage stellen, warum überhaupt noch Gespräche geführt wurden, wenn deren Ausgang durch ein Immunitätsgesetz bereits festgelegt war. Die britische Öffentlichkeit würde sich mit Bestimmtheit erbost darüber zeigen, dass die Regierung ein Gesetz im Geheimen vorbereitete und damit eine der demokratischen Grundprinzipien mit Füßen trat. Mit diesen Überlegungen im Hinterkopf machte der britische Außenminister folgende Empfehlung: „jegliche Korrespondenz, die sich auf die Möglichkeit eines Immunitätsgesetzes bezieht sollten von der Geheimstufe vertraulich[meine Hervorhebung] heraufgestuft werden. Eine undichte Stelle wäre desaströs.“ Sein Einwurf scheint keine weiteren Reaktionen hervorgerufen zu haben und die Planungsentwürfe wurden weiter als vertraulich eingestuft. Inzwischen war der Gesetzentwurf soweit fortgeschritten, dass nun das zeitliche Prozedere zur Einbringung des Gesetzes ins Parlament in den Fokus rückte. Das Innenministerium informierte einen Mitarbeiter Callaghans, dass es möglich wäre ein Immunitätsgesetz innerhalb weniger Stunden durch das Parlament zu peitschen und verwies dabei auf ein Gesetz, dass im Februar 1972 erlassen wurde, um die Handlungsfähigkeit der britischen Armee in Nordirland wiederherzustellen. Die Regierung hatte den Gesetzentwurf um 19.00 ins Parlament eingebracht und bereits um 2.00 Morgens des folgenden Tages hatte das Gesetz königliche Zustimmung erlangt. Jedoch erschien es dem Innenminister fragwürdig, ob sich das ungewöhnliche Prozedere für den vorliegenden konstruierten Fall rechtfertigen lasse. Realistisch erschien es dem Innenminister ein solches Gesetz am 7. März ins Parlament einzubringen, vorher erschien es ihm nicht ratsam offenkundige Schritte zu unternehmen. Die zweite Lesung des Gesetzes könne dann am 9. März stattfinden, die Debatte und die Bewilligung des Gesetzes würden einen Tag in Anspruch nehmen. Dies würde zwar den irischen Behörden ermöglichen auf die Männer zuzugreifen, der Innenminister beruhigte den britischen Premier jedoch damit, dass nach britischem Recht die Auslieferung erst nach 15 Tagen erfolgen müsse. Der Innenminister war sich darüber im Klaren, dass dieses Vorgehen nicht ideal sei. Es sei jedoch das einzig mögliche, wenn verfrühte Aktionen vermieden werden sollten und kein außergewöhnliches Dringlichkeitsprozedere in Bezug auf das Gesetz durchgeführt werden sollten.

Mit der Erklärung des Innenministeriums wird deutlich, dass ein Immunitätsgesetz nicht nur das anglo-irische Verhältnis belasten könnte, sondern auch das Verhältnis von Parlament und Regierung. Den Abgeordneten dürfte es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gefallen, lediglich einen Tag über ein solch weitreichendes Gesetz zu debattieren Außerdem war es zweifelhaft, ob die selben rechtlichen Regeln in Bezug auf das Erscheinen der Angeklagten in der Republik Irland galten. Ein solches Gesetz ins Parlament einzubringen wäre daher ein äußerst riskantes Unterfangen.

Am 28. Februar erfuhr das Kabinett, dass nun ein Entwurf für das Immunitätsgesetz vorlag und der Kabinettskoordinator John Hunt empfahl, die zweite Lesung des Gesetzes für den 9.März anzusetzen. Am 3. März berichtete der Außenminister an Premier Callaghan, dass auch die Konservativen einer Immunitätsgesetzgebung zustimmen würden. Zu einer Einbringung des Gesetzentwurfes ins Parlament kam es aber nie , verantwortlich hierfür waren zwei Gründe, in langen und zähen Gesprächen war eine Übereinkunft zur Sicherheit der acht SAS Männer in der Republik Irland erreicht worden und was sicherlich gewichtiger war, die Männer wurden am 8. März 1977 freigesprochen und lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt Die Notwendigkeit ein solches Gesetz einzubringen entfiel somit.

Fazit

An der vorliegenden Untersuchung wird deutlich, dass die britische Regierung bereits mehr als einmal in Erwägung gezogen hat, Angehörige der britischen Streitkräfte vor einer Strafverfolgung durch ein Immunitätsgesetz zu schützen. Der Unterschied zwischen einer zeitnahen Anklage und einer retrospektiven Anklage ist dabei klar, spielt aber für die Vergleichbarkeit der beiden Fälle lediglich eine geringe Rolle, denn die Motive der britischen Regierung sind dieselben und dies gilt auch für die Umstände der erhobenen und noch zu erhebenden Anklagen. Zunächst einmal geht es der britischen Regierung darum, Angehörige ihrer Streitkräfte zu schützen da diese Volk und Vaterland  dienen. Der Schutz bezieht sich insbesondere auf Schutzvor Strafverfolgung. Hierfür spielt die Frage von Schuld und Unschuld, wie am vorliegenden Fall ersichtlich wird, eine geringe Rolle. Schutz im Sinne der britischen Regierung bezieht sich primär auf den Schutz des Lebens und der Schutz vor Strafe. Diese Motivlage hat sich zwischen 1977 und heute nicht geändert. Dadurch, dass die britische Regierung jedoch primär den Schutz des Lebens und den Schutz vor Strafe in den Vordergrund stellt, unterstellt sie den anklagenden Ländern/Behörden, dass sie a) die Sicherheit der Soldaten nicht gewährleisten können und b) parteiisch handeln. Aus diesen beiden Annahmen heraus, erschließt sich auch der Sinn einer Immunitätsgesetzgebung und zeigt zudem an, wann die britische Regierung geneigt ist eine solche einzusetzen. Aus den gegenwärtigen Bemühungen, sowie durch den Blick auf den Fall der SAS Männer wird deutlich, dass eine solche Gesetzgebung immer dann in den Bereich des Möglichen rückt, wenn andere Mittel wie Druck, Überzeugung und Erklärungen nicht mehr ausreichen bzw. nicht überzeugend wirken.Dies ist sowohl heutzutage, als auch 1977 zu konstatieren. Es bleibt damit die Frage zu beantworten, warum die britische Regierung bis jetzt noch kein solches Immunitätsgesetz beschlossen hat. Die Antwort fällt hier kurz und knapp aus, die Nachteile überwiegen eindeutig die Vorteile. Im Fall des jetzigen Vorschlages kann es u.a. dazu kommen, dass irische Republikaner ebenso von der Immunität profitieren könnten. Generell bleiben heute wie historisch die Bedenken über die Auswirkungen ein solches Gesetz auf die anglo-irischen Beziehungen ebenso bestehen.

Dieser Artikel spricht sich nicht dafür aus, Lehren aus der Geschichte zu ziehen, er ist eher ein Gegenbeweis, denn die britische Regierung hat aus der Debatte aus den 1970er Jahren nichts gelernt, sondern versucht erneut Immunität für Armeeangehörige zu erreichen. Dieser Artikel plädiert eher dafür, dass sich aus historischen Debatten Handlungsmuster für die gegenwärtige Regierungspolitik ableiten lassen. Die Geschichte ist damit nicht Lehrmeisterin des Lebens, sondern sie gibt die analytischen Mittel an die Hand, um die Gegenwart zu verstehen und sie zu analysieren. Der vorliegende Fall ist hierfür ein treffendes Beispiel.


Foto (Uschi Grandel, August 2004): Britische Militärkaserne in der nordirischen Grenzregion, hier in Newtonhamilton in South Armagh