Long Kesh Internment Camp

„Es wäre von Vorteil, IRA Verdächtige auf Grund von Rechtsverstößen anzuklagen, statt sie ohne Gerichtsverfahren zu internieren.“

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Die Internierungsmaßnahmen des Jahres 1971 aus Sicht des britischen Kabinetts.

Die Einführung von Internierungsmaßnahmen ohne Gerichtsverfahren im August 1971 durch die nordirische Regierung, mit Billigung der britischen Regierung in London, stellte einen Wendepunkt im Nordirlandkonflikt dar. Daher, ist das Ereignis bereits aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet worden. Dennoch, fehlt bisher die Sichtweise des britischen Kabinetts auf die Internierungsmaßnahmen, da die entsprechenden Protokolle und Akten bis vor kurzem noch gesperrt waren. Es war also nicht möglich zu erwägen, unter welchen Gesichtspunkten das Kabinett in London die Maßnahme diskutierte und welche Schlüsse sie aus ihrem Scheitern zog. Dieser Artikel, der die Kabinettspapiere des Jahres 1971 als Grundlage verwendet, wirft drei Fragen auf: Wann wurden Internierungsmaßnahmen zum ersten Mal in Betracht gezogen, wie veränderte sich die Wahrnehmung der Internierungsmaßnahmen, Welche Schlüsse zog das Kabinett aus dem Scheitern der Maßnahme?

Stormont und Westminster

Die Diskussion über die Einführung von Internierungsmaßnahmen kam nicht erst im August 1971 auf. Bereits im Februar des Jahres antwortete die nordirische Regierung auf eine Anfrage des britischen Innenministers, dass sie bereit sei Internierungsmaßnahmen einzuführen, wenn die Sicherheitskräfte darum baten. In der sich anschließenden Kabinettsdiskussion wurde herausgestellt, dass die Einführung einer solchen Maßnahme nur erfolgreich seien könnte, wenn „die Anführer der Terroristen identifiziert und in Gewahrsam genommen werden könnten.“ (CAB 128/49/9 9th February 1971). Das Kabinett gab zudem zu bedenken, dass die Einführung von Internierungen ohne Gerichtsverfahren zur „Entstehung einer Gattung von politischen Gefangenen führe, deren willkürliche Behandlung dazu genutzt werden könnte Vergeltung in Form von Entführungen und Geiselnahmen zu rechtfertigen.“ (ebd.). Durch die sich verschlechternde Sicherheitslage kam der nordirische Premierminister Brian Faulkner im Juli 1971 unter zunehmenden Druck von rechtsgerichteten Elementen in seiner eigenen Partei. Grund hierfür war, dass er aus Sicher dieser Elemente nicht entschlossen genug gegen den „Terrorismus“ vorging. Faulkner verlangte hierauf von der Regierung in London drastischere militärische Maßnahmen einzuleiten. Diese offensichtliche Schwäche Faulkner zwang die britischen Machthaber “ ernsthaft über die unmittelbare Machtnahme Londons in Nordirland nachzudenken.“ CAB 128/48/25 23 July 1971).

Britische Ernüchterung

Schon wenige Monate nach der Einführung der Internierungsmaßnahmen machte sich im britischen Kabinett Ernüchterung über die Maßnahme breit. Obwohl Edward Heath behauptete, dass die Internierungsmaßnahmen ein voller Erfolg waren, da angeblich “ ungefähr die Hälfte der Führung der Irisch Republikanischen Armee aufgegriffen wurden“ (CAB 128/48/26 17 August 1971) wurde es in den folgenden Monaten klar, dass Internierung ohne Gerichtsverfahren keine Lösung für den Konflikt darstellte, sondern die Lage zusätzlich verkomplizierte. Während einer Kabinettssitzung im September 1971 wurde die Meinung geäußert, dass es ein Fehler war hauptsächlich Mitglieder der katholisch-nationalistischen Bevölkerung festzunehmen. Daher sei es wichtig, dass „Sicherheitsmaßnahmen, und das schließt zukünftige Verhaftungen ein, so durchgeführt würden, dass sie als unparteiisch erschienen und gegen alle gerichtet seien, die eine Gefahr für Recht und Ordnung darstellten.“ (CAB 128/48/29 22 September 1971). Es dauerte jedoch noch bis 1973, bis die ersten Unionisten interniert wurden. Zu einem späteren Zeitpunkt im September gab der Verteidigungsminister zu, dass „die Sicherheitssituation gleichsam entmutigend war. Es sei noch zu früh zu sagen, dass die Internierungsmaßnahmen gescheitert waren. Es sei jedoch bekannt, dass die Anzahl der Rekruten für die Irisch Republikanische Armee (IRA) in der Republik Irland anstiegen.“(CAB 128/48/29 22 September 1971). Trotz des Beharrens seitens des Verteidigungsministers, dass die Internierungsmaßnahmen noch nicht gescheitert waren, gab Edward Heath ein paar Tage später zu, dass „die bisherige Politik in Nordirland in Trümmern liege. Angesichts der Kosten der gegenwärtigen „Troubles“ an Leben und Geld sei die öffentliche britische Meinung anfällig zunehmend enttäuscht zu werden.“ (CAB 129/58/24 30 September 1971).

Aus Fehlern lernen?

Nachdem das Kabinett das Scheitern der Internierungsmaßnahmen zugegeben hatte, erwog es nicht die Maßnahme zu beenden, sondern diskutierte sie um einen rechtlichen Rahmen zu erweitern. Zwei Wochen nach dem Edward Heath das Scheitern der Internierungsmaßnahmen zugegeben hatte, schickte er drei weitere Bataillone nach Nordirland um die Geheimdienstinformationen, welche auf Grund der Internierungsmaßnahmen gewonnen wurden, vollständig zu nutzen.“ CAB 128/48/31 12 October 1971) Trotz der Fortführung der Internierungsmaßnahmen kam das Kabinett zu der Erkennten, dass es “ politisch vorteilhaft wäre, wenn weitere IRA Verdächtige einer Straftat angeklagt werden könnten, statt sie zu internieren. Es wurde in Betracht gezogen, ob das Bedürfnis eines Rückgriffs auf die Internierungsmaßnahmen (…) durch die Einführung von ‚Sondergerichten‘ reduziert werden könne.“ (CAB 128/48/30 29 September 1971).

Internierung ohne Strafverfahren in den britischen Kabinettspapieren

Wie aus den in dem Artikel zusammengetragenen Quellen ersichtlich wird, offenbaren die Kabinettspapiere eine einzigartige Perspektive auf das Denken von britischen Politikern und helfen dabei die Internierungsmaßnahmen einer Neubetrachtung zu unterziehen. Fakt ist, dass Internierungen als Maßnahme zur Widerherstellung von Recht und Ordnung viel früher als August 1971 in Betracht gezogen wurde. Es war daher keine ad-hoc Entscheidung sie einzuführen- Zudem war sich das britische Kabinett der Mängel der Internierungsmaßnahmen bewusst und mit zunehmender Dauer machte sich Enttäuschung über die Maßnahme breit. Dennoch besaß das Kabinett nicht den Mut die Maßnahme vollständig zu beenden. Als Konsequenz hieraus diskutierte das Kabinett die rechtliche Ergänzung der Internierungsmaßnahmen. Dies wiederum kann als Vorbote des kommenden Gefängniskonfliktes gesehen werden, welcher mit dem Entzug des Special Category Status 1976 begann, in den Hungerstreik von 1981 einmündete und schließlich die Kriminalisierung obsolet machte.


Foto: Plakat der nordirischen Bürgerrechtsbewegung gegen die massenhaften Internierungen, die ab August 1971 begannen und sich ausschliesslich gegen die irische Bevölkerungshälfte richteten. Parallel zu den Verhaftungen nach alten Geheimdienstlisten unterdrückte die britische Armee Anti-Internment-Proteste mit Waffengewalt. Bloody Sunday, das Massaker im Januar 1972, bei dem 14 unbewaffnete Zivilisten vom Eliteregiment 1-Para der britischen Armee ermordet wurden, ist nur eines der gravierenden Menschenrechtsverletzungen der damaligen Zeit.Im Hintergrund des Fotos sieht man das Internierungslager Long Kesh (Foto: Bobby Sands Trust)

Siehe auch:

  • Teilsieg für »Hooded Men« weiterlesen >>
  • Dokumentarfilm: „Verlust der Unschuld – das Massaker in der McGurk’s Bar“ weiterlesen >>