Vom 31. Juli bis zum 8. August 2014 findet in West Belfast das „Féile an Phobail“, das Fest des Volkes statt. Wir sind mit einer Delegation von Info Nordirland dabei und berichten von einigen der vielen interessanten Veranstaltungen:
Dienstag, 5. August 2014:
Konzert von Frances Black und der Bridget O’Neill Band in Clonard Monastery, einem Kloster in West Belfast, das eng mit der Bevölkerung verbunden ist. Der Abt des Klosters war zu Beginn der „Troubles“ in den Siebzigerjahren vom Kommandeur der britischen Truppen in Belfast, Frank Kitson, gedrängt, einen Beobachtungsposten auf dem Dach des Klosters zuzulassen, angeblich, um die Bevölkerung besser beschützen zu können. Der Abt verweigerte dies, mit der Begründung, die Armee wolle die Bevölkerung nicht beschützen, sondern ausspionieren. Daraufhin erwiderte Kitson, der schon die britischen Kolonialkriege u.a. in Kenia führte, er werde die irisch-republikanischen Viertel ausquetschen wie eine Tube Zahnpasta.
Großartige Sängerinnen und eine phantastische Akustik in der Klosterkirche
Während Bridget Folk, Jazz und Blues verbindet, hatte Frances immer wieder Themen aus der Geschichte Irlands und sang auch einen Solidaritätssong für Gaza.
Besuch des nordirischen Parlaments Stormont
Am Morgen besuchte unsere Delegation das nordirische Parlament Stormont. Wir waren mit Sinn Fein verabredet. Sean Murray (Organisator von Sinn Fein für die 6 counties), Fra McCann (Abgeordneter des Regionalparlaments) und Deirdre Hargey (Vorsitzende des neuen Belfast-Lisburn-Supercouncils) berichteten über ihre Arbeit im Parlament und ausserhalb und machten für uns eine Führung durch das Parlamentsgebäude. Stormont war in der Vergangenheit das bei dem irischen Teil der Bevölkerung verhasste Symbol des unionistischen (pro-britischen) Ein-Parteien-Staats.
Sinn Fein beteiligt sich an der Allparteienregierung, die es seit 2007 gibt, und stellt mit Martin McGuinness den Deputy First Minister. Ziel ist die vollständige Umsetzung des Karfreitagsabkommmens von 1998, das die Demokratisierung Nordirlands und die Schaffung einer gleichberechtigten Gesellschaft zum Ziel hat. Ein arbeitsintensiver langwieriger Prozess, wie Sean berichtet. Erst im Januar war der Versuch, eine Lösung für die umstrittenen Themen unter Moderation von Richard Haas und Meagan O’Sullivan eine Lösung zu finden, gescheitert.
Sonntag, 3. August 2014
Auch wir beteiligen uns an der Demonstration zum Gedenken an die irischen Hungerstreiker von 1981, die dieses Jahr im nordirischen Derrylin im County Fermanagh stattfindet.
Das Video in englischer Sprache gibt einen Eindruck von der Gedenkveranstaltung und berichtet einige Höhepunkte der Demonstration:
Donnerstag, 31. Juli 2014
Erster Tag von Féile und schon eine Menge los. Relatives for Justice, eine Belfaster Organisation von Opfern des Staatsterrorismus zeigten den Film „Ceasefire Massaker – Massaker während der Fussballweltmeisterschaft 1994“. Irland hatte sich zur Weltmeisterschaft in den USA qualifiziert und gewann auf sensationelle Weise 1:0 gegen Italien. Das Pub im kleinen nordirischen Dorf Loughinisland war gesteckt voll und die Leute verfolgten gespannt das Spiel als zwei pro-britische Loyalistische Paramilitärs die Kneipe stürmten und in die Menge schossen. Sechs Tote und viele Verletzte – es war die bedrückendste Heimreise nach einem Fussballspiel, erzählte im Film einer der irischen Spieler.
Bis heute kämpfen die Angehörigen um Aufklärung. Die Polizei hatte versprochen, keinen Stein auf dem anderen zu lassen. Aber im Film wurde deutlich, dass die Polizei statt dessen Spuren nicht verfolgte, Fluchtauto und Waffen wurden zwar gefunden und der Polizei übergeben, dort aber ohne Spurensicherung entsorgt.
Zwei weitere Veranstaltungen am Abend versammelten einige Prominenz in West Belfast. Tom Hartley, langjähriger Sinn Féin Aktivist, Stadtrat, Bürgermeister, Fremdenführer, Experte der Geschichte der beiden Friedhöfe in West Belfast (City Cemetry, wo viele Unionisten beerdigt wurden, und Milltown Cemetry für die irisch-katholische Bevölkerung) stellte seine Bücher über die Geschichte der Friedhöfe vor. Im Anschluss daran sprachen Martin McGuinness, Deputy First Minister der nordirischen Regionalregierung, und Colin Parry, dessen 12-jähriger Sohn durch eine Bombe der Ira ums Leben kam, über „the journey to peace and reconciliation“. Nach soviel geistigem Input gehen wir erst einmal Essen ins „Failte“ und danach auf ein Pint in den „Red Devil“ ….
Mittwoch, 30. Juli2014, 19.00 Uhr
Ein paar Hundert Leute haben sich zu einer der fast täglichen Mahnwachen in Solidarität mit den Menschen in Gaza vor dem Busy Bee Einkaufszentrum in Andersonstown in West Belfast versammelt. Organisiert hatte die Mahnwache Republican Youth, die Jugendorganisation von Sinn Fein. Auch unsere Info Nordirland Delegation nahm teil. Die letzte halbe Stunde der Mahnwache war eine der typischen irischen Protestaktionen, ein White line picket auf dem Mittelstreifen der sehr stark befahrenen Andersonstown Road. Republican Youth sammelt Spenden für ein Hilfsprojekt für ein Krankenhaus in Gaza, das schon etliche Jahre besteht. Viele Autofahrer spendeten und bekundeten durch Hupen ihre Solidarität.
Mittwoch, 30. August 2014
Einige Delegationsmitglieder sind bereits in Belfast angekommen. Wir nehmen heute Abend an einer Mahnwache in Solidarität mit den Menschen in Gaza teil, die in Andersonstown in West Belfast stattfindet.
Reiseberichte früherer Delegationen >>
Féile an Phobail Webseite (in englischer Sprache) >>
Hier findet sich auch das Festivalprogramm als PDF zum Download!