Gedenken an den irischen Hungerstreik von 1981

Martin McGuinness wird sich nicht mehr zur Wahl stellen

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Martin McGuinness, bis zu seinem Rücktritt am 9.1.2017 stellvertretender nordirischer Regierungschef, hat mit seinem Rücktritt Neuwahlen des nordirischen Regionalparlaments erzwungen. Zu den Wahlen wird McGuinnes aus Gesundheitsgründen nicht mehr antreten. Damit übergibt der langjährige Verhandlungsführer der irisch-republikanischen Partei Sinn Féin, der Anfang der 1970er Jahre auch Mitglied der IRA war, seine wichtige Aufgabe der Weiterentwicklung des irischen Friedensprozesses an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin. Wir veröffentlichen hier seine ungekürzte Stellungnahme vom 19. Januar 2017:

„Letztes Jahr gaben Gerry Adams und ich unseren Plan für den Übergang zu einer neuen Parteiführung bekannt. Ich hatte vor, im Mai dieses Jahres zurückzutreten. Das wären genau 10 Jahre nach dem Eintritt in die Regionalregierung, die ich gemeinsam mit Ian Paisley geführt habe. Bedauerlicherweise haben mein Gesundheitszustand und die aktuelle Krise dieses Vorhaben vereitelt. Ich trete deshalb jetzt zurück, um den Weg für einen Nachfolger an der Spitze von Sinn Féin im Norden freizumachen.

Während der letzten zehn Jahre habe ich unermüdlich daran gearbeitet, dass die gemeinsame Regierung  funktioniert. Als Ergebnis der jüngsten Ereignisse wird sie von einer schweren Krise erschüttert. In den kommenden Wahlen wird die Bevölkerung das Sagen haben. Nach langen und reiflichen Überlegungen habe ich beschlossen, dass es Zeit für eine neue Generation an Republikanern ist, uns in diese Wahl und die darauf folgenden Verhandlungen zu führen.

Sinn Féin ist eine Partei der kontinuierlichen Entwicklung, Erneuerung und Weiterentwicklung. Unser Kampf für Freiheit und Gleichheit reicht zurück bis zur Bewegung der United Irishmen (Vereinigte Iren) in den 1790ern. Ich bin sehr stolz auf die demokratischen Einflüsse der Presbyterianer aus (der Provinz) Ulster auf die republikanische Tradition. Es bleint mein persönliches und politisches Ziel, die Verbindung zu Großbritannien zu kappen und alle diejenigen unter dem gemeinsamen Banner irischer Männer und Frauen zu vereinen, die diese Insel bewohnen.

Ich bin sehr stolz auf die Generation irischer Republikaner, die vor uns  kam. Es war eine Generation, die die Vision von Freiheit in der schwierigen Zeit nach der Teilung (Irlands) am Leben hielt, die dafür in einem Apartheid – Oranierstaat ungeheuerer Repression und Verfolgung durch die (herrschende pro-britische) Ulster Unionist Party ausgesetzt war. Ich hatte das Privileg, zu der Generation zu gehören, die den Apartheidstaat zu Fall brachte und der Sinn Féin Führung anzugehören, die Frieden und radikale Veränderung brachte.

Heute gibt es mehr Republikaner als jemals in meiner Generation. Wenn ich die Partei im Norden und im Süden betrachte, sehe ich Energie, Entschlossenheit, Talent und neue Führungspersönlichkeiten, die – dessen bin ich sicher – Gleichheit, Respekt und ein vereinigtes Irland erreichen werden.

Um meine offensichtlichen Gesundheitsprobleme kümmert sich ein großartiges Team von Ärzten und Pfleger/innen unseres Gesundheitssystems. Aber ich möchte meinen Freunden und Kollegen in Sinn Féin, den Wähler/innen in Foyle und der Gesellschaft gegenüber offen und ehrlich sein. Ich möchte auch zu meiner Familie und zu den Pfleger/innen fair sein, die mir die beste Behandlung zuteil werden lassen, um die sehr schweren medizinischen Probleme zu überwinden. Das will ich mit aller Kraft.

Ich bin physisch nicht in der Lage, meine derzeitige Rolle weiterzuführen. Ich habe deshalb entschieden, den Weg freizumachen. Die kommende Wahl ist der richtige Zeitpunkt. Deshalb trete ich nicht mehr zur Wahl an. Ich habe volles Vertrauen in das starke Team, das wir im Regionalparlament aufgebaut haben, um die Arbeit weiterzuführen, Strukturen aufzubauen, die für alle unsere Menschen Ergebnisse auf der Basis von  Gleichheit, Respekt und Integrität liefert. Eine neue Führungsspitze wird uns in diese Wahlen führen und in die Verhandlungen, die unweigerlich nach der Wahl anstehen. Wir brauchen das stärkste Sinn Féin Team für progressive Veränderung, die ein wichtiger Schritt nach vorn ist. Die neue Führung wird meine volle und ungeteilte Unterstützung in den kommenden Wochen und Monaten haben.

Wir sind auf dem Weg, unser Volk und unsere Insel zu vereinen. Als Sinn Féin Aktivist will ich weiterhin einen vollen und enthusiastischen Beitrag zu dem wichtigen Prozess leisten, Brücken zu bauen, Dialog und Versöhnung unserer immer noch geteilten Bevölkerung zu befördern. Trotz der gegenwärtigen Schwierigkeiten und Herausforderungen blicke ich zuversichtlich und optimistisch in die Zukunft. Wir hatten schon größere Probleme zu bewältigen und haben auch da einen Weg gefunden.

Als Gesellschaft haben wir enorme Fortschritte gemacht. Wir müssen weiterhin vorwärts gehen. Dialog ist die einzige Option.


Original Text und Video (19.1.2017, in englischer Sprache): Martin McGuinness not seeking reelection

Übersetzung: Uschi Grandel, Anmerkungen in Klammern

Foto (Uschi Grandel, 14.8.2016): Gerry Adams (rechts) und Martin McGuinness (links etwas verdeckt) auf der irlandweiten Großdemonstration zum Gedenken an die zehn irischen Republikaner, die 1981 im Hungerstreik gegen die Kriminalisierung der irisch-republikanischen Gefangenen starben. Zum ersten Mal war das langjährige Führungsduo als einfache Teilnehmer dabei.