In Nordirland führte fehlendes Bündnis gegen Sozialabbau zu Stimmengewinnen der Rechten.
Gerade einmal 18 Abgeordnete schickt Nordirland ins britische Unterhaus. Bei insgesamt 650 Sitzen sind das nicht einmal 3%. Dementsprechend uninteressant könnten diese Wahlen für die Bevölkerung der „Six Counties“ sein. „Sechs Grafschaften“, so nennen irische Republikaner, die für ein vereinigtes Irland eintreten, den „Kleinstaat“ Nordirland. Sie weisen damit auf die vom britischen Parlament im Jahr 1920 beschlossene Spaltung Irlands hin. Dagegen stehen die pro-britischen Unionisten, stramme Verfechter der Union zwischen Großbritannien und Nordirland. Die beiden mit Abstand stärksten Parteien Nordirlands sind die rechte Democratic Unionist Party (DUP) und die gesamtirische Linkspartei Sinn Féin (SF).
Die DUP ist aus den Westminster-Wahlen mit 25,6% und acht Sitzen als stärkste Partei hervorgegangen und konnte Verluste bei der letzten Wahl wieder wettmachen. Parteien rechts von der DUP hatten neben der im Wahlkampf aggressiv homophob und ausländerfeindlich auftretenden DUP keine Profilierungschance. Der DUP-Kandidat für den Wahlbezirk South Down, Jim Wells, bezeichnete im Wahlkampf Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften erzogen werden, als „stärker der Gefahr von Missbrauch ausgesetzt“. Nach massivem Protest musste er immerhin von seinem Posten als Gesundheitsminister der nordirischen Regionalregierung zurücktreten.
Zweitstärkste Partei wurde mit 24,5% der Stimmen Sinn Féin. Die Linkspartei war mit einem klaren Anti-Austeritäts-Programm gegen den von der britischen Regierung verordneten massiven Sozialabbau angetreten. Ihre vier Sitze im britischen Unterhaus nimmt die irisch-republikanische Partei traditionell nicht ein. Obwohl SF im Vergleich zur letzten Westminster-Wahl von 2010 in absoluten Zahlen leicht zulegen konnte, verlor sie einen Sitz und hat ihre Ziele nicht vollständig erreicht. Zum einen scheiterten ihre Bemühungen, ein parteiübergreifendes Anti-Austeritäts-Bündnis aller progressiven Parteien zu schmieden. Zum andern sah sie sich in einigen kritischen Wahlbezirken einem Bündnis aller rechten pro-britischen Parteien gegenüber. Besonders schmerzlich war der dadurch verursachte Verlust des Sitzes in Fermanagh & South Tyrone, einem Wahlkreis im Südwesten Nordirlands. In drei aufeinanderfolgenden Wahlen hatte Michelle Gildernew von Sinn Féin sich gegen den rechten Block behaupten können, zuletzt 2010 mit vier Stimmen Vorsprung. Diesmal konnte sie ihre Stimmenzahl um 10% auf über 23000 steigern, verlor aber gegen den Kandidaten des rechten Blocks mit 530 Stimmen. Die SDLP (Social Democratic and Labour Party) und die Green Party kamen zusammen auf etwa 3500 Stimmen. Ein Anti-Austeritäts-Bündnis hätte den Sieg des rechten Kandidaten verhindern können. Der Sitz hat für SF besondere symbolische Bedeutung. Während des 1981er Hungerstreiks der irisch-republikanischen Gefangenen für die Anerkennung als politische Gefangene hatte der IRA-Mann Bobby Sands aus dem Gefängnis heraus kandidiert und den Sitz gewonnen. Das britische Parlament änderte daraufhin das Wahlgesetz. Bobby Sands starb nach 66 Tagen im Hungerstreik am 5. Mai 1981.
Interessant ist auch das Ergebnis in West Belfast, einer der irisch-republikanischen Hochburgen. Hier erzielte der Sinn Féin – Präsident Gerry Adams in der Vergangenheit absolute Mehrheiten. Seit 2011 ist Adams Abgeordneter des Dáil, des Parlaments der Republik Irland. Für seinen Nachfolger Paul Maskey war dies die erste Westminster-Wahl. Maskey kam nicht ganz an das Traumergebnis von Gerry Adams heran, erreichte aber mit mehr als 19000 Stimmen immer noch die absolute Mehrheit. Der West Belfaster Kandidat der Allianz „People before Profit (Menschen vor Profit)“, Gerry Carroll, hatte die beiden prominenten Sozialisten Bernadette McAliskey und Eamon McCann als Wahlkampfhelfer. Das zahlte sich aus. Er erhielt 7000 Stimmen, fast doppelt so viele wie die SDLP.
Erstveröffentlichung: junge Welt vom 12.5.2015, Titel „Linke verfehlt Ziele“ weiterlesen >>
Fotos:
- An Phoblacht Titelbild, Mai 2015
- Sinn Féin Wahlplakat: „Gleichberechtigung statt Sozialabbau“