Auf Friedenskurs

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Das Friedensabkommen in Nordirland
Mai 1998, Aufruf zur Abstimmung über das nordirische Friedensabkommen vom April 1998

Nordirland: 15 Jahre nach Unterzeichnung des »Karfreitagsabkommens« weitere Annäherung der einstigen Gegner

Vor 15 Jahren, am 10. April 1998, ist in Nordirland das Karfreitagsabkommen unterzeichnet worden. Der Vertrag sollte den Bürgerkrieg beenden und einen gerechten Frieden ermöglichen. In zwei getrennten Abstimmungen in Irland und Nordirland votierten die Menschen mit überwältigender Mehrheit für das Abkommen. Dieses sah die Selbstentwaffnung der Irisch Republikanischen Armee (IRA), eine umfassende Demilitarisierung der Region, eine Polizeireform, die Amnestie für politische Gefangene und ein Ende der Direktherrschaft aus London vor.

In den Folgejahren kamen die Gefangenen der IRA auf Bewährung frei – auch solche, die zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren. Angehörige von IRA-Splittergruppen sind weiterhin inhaftiert. Die Polizei wurde reformiert und 40 der insgesamt rund 100 Wachen geschlossen. Die Zahl der Bediensteten verringerte sich von 13500 auf etwa 7500 Beamte. Ein zentraler Bestandteil des Friedensabkommens – die Demilitarisierung – wurde jedoch nur einseitig erfüllt. Die IRA räumte unter internationaler Kontrolle ihre Waffendepots, doch noch immer sind rund 5000 von ehemals bis zu 30000 britischen Soldaten in Nordirland stationiert.

Derzeit laufen in Nordirland die Vorbereitungen für das Gipfeltreffen der acht führenden Industrienationen Mitte Juni. Die dabei erwarteten Proteste stellen die dortige Politik vor große Herausforderungen. Sicherheitskräfte bereiten sich auf einen der umfangreichsten Einsätze in der Provinz vor. Bis zu 4000 Polizisten aus Schottland und England sollen den »Police Service of Northern Ireland« unterstützen.

Der Gipfel findet am 17. und 18. Juni in einem Luxushotel am See Lough Erne im äußersten Südwesten Nordirlands statt. Der britische Premierminister David Cameron empfängt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Barack Obama, den russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie die Regierungschefs aus Italien, Kanada, Frankreich und Japan.

Kapitalismusgegner planen Aktionen in Belfast sowie in Enniskillen, der dem Austragungsort des G8-Treffens nächstgelegenen Stadt. Die irische Linkspartei Sinn Féin steht vor der Frage, ob sie sich an den Demonstrationen beteiligt oder nicht. Als zweitstärkste Fraktion im Parlament von Stormont ist sie an der Regionalregierung beteiligt. Die Provinz wird, wie im Karfreitagsabkommen festgelegt, von einer Allparteienregierung verwaltet. Koalitionsfreiheit gibt es nicht, die Fraktionen stellen entsprechend ihres Stimmenanteils Regierungsvertreter. Drei der fünf Minister von Sinn Féin sind ehemalige IRA-Angehörige, unter ihnen auch der Vizeministerpräsident Martin McGuinness. Im Jahr 2005, beim letzten G8-Treffen in Großbritannien, stellte sich Sinn Féin hinter die Demonstranten. Barry McElduff, Abgeordneter für die Partei aus West Tyrone, trat als Gastredner bei einem Alternativgipfel in Edinburgh auf.

An der Vorbereitung der Proteste sind auch republikanische Vereinigungen beteiligt, die den nordirischen Friedensprozeß ablehnen. Dies führt zu einiger Nervosität bei den Sicherheitskräften. Alistair Finlay, Vizechef der nordirischen Polizei, sagte, irisch-republikanische Splittergruppen könnten die internationale Aufmerksamkeit für einen »großen Anschlag« nutzen. Organisationen wie »Real IRA« oder »Continuitiy IRA« lehnen den Friedenskurs in der Provinz ab und halten am bewaffneten Kampf gegen die britische Herrschaft in Nordirland fest. Sie verüben immer wieder Attentate auf Polizei, Militär und Einrichtungen der Justiz. Zahlreiche Personen wurden dabei verletzt, seit 2009 wurden zwei britische Soldaten, zwei Polizisten und ein Gefängniswärter getötet.

Den vor 15 Jahren geschlossenen Friedensvertrag in Nordirland können derlei Aktivitäten jedoch nicht mehr rückgängig machen. Zu weit fortgeschritten ist die Annäherung der einstigen Gegner und zu groß ist die Unterstützung der nach Aussöhnung strebenden Kräfte. Sinn Féin kann kontinuierlich einen Stimmenzuwach verzeichnen und sieht sich so in ihrem Kurs bestätigt. Die Partei liegt in Nord­irland inzwischen bei rund 25 Prozent der Stimmen und ist zur stärksten Kraft im irischen Lager geworden.


Erstveröffentlichung : Junge Welt, 11. April 2013 weiterlesen >> 

Foto: „Das Abkommen – Deine Entscheidung“ Poster zum Referendum über das Karfreitagsabkommen, das im Sommer 1998 in Irland (Süd und Nord) stattfand. Eine überwältigende Mehrheit der irischen Bevölkerung stimmte für das Abkommen.

Siehe auch unsere Schwerpunktseite:
„Der irische Friedensprozess – Vom bewaffneten Konflikt zur politischen Auseinandersetzung: Der irische Friedensprozess, das Karfreitagsabkommen und der auch heute noch andauernde Kampf um seine vollständige Umsetzung“ weiterlesen >>