Ian Paisley – Nachruf

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„Ohne Paisley hätte es keine gemeinsame Regierung in Nordirland gegeben. Kein anderer politischer Führer hatte sich eine ähnliche Glaubwürdigkeit bei den Hardlinern erarbeitet, die ihm ein Abkommen mit der verhaßten Sinn Féin erlaubte.“ (Niall O’Dowd, siehe unten)

Wir dokumentieren im Folgenden die Nachrufe zweier langjähriger Kommentatoren der Entwicklung in Nordirland (Übersetzung: Uschi Grandel, Erläuterungen in Klammern):

  • Jude Collins, Belfaster Schriftsteller und Journalist: Ian Paisley ist gestorben
  • Niall O’Dowd, irischer Journalisten und Gründer der Internetplattform Irish Central. Niall O’Dowd lebt in den USA und hat einen großen Beitrag für das Zustandekommen des nordirischen Friedensabkommens geleistet: Wie der dunkle Stern des Nordens zum Friedensprinzen wurde

Ian Paisley ist gestorben

Jude Collins, 12.9.2014

Ian Paisley ist tot. Er war ohne Zweifel eine der großen Persönlichkeiten der irischen Politik der letzten fünfzig Jahre und ich denke, man wird sich an ihn aus zwei Gründen erinnern. Als erstes, weil er eine gemeinsame Regierung zwischen (pro-britischen) Unionisten und (irischen) Republikanern akzeptierte und erstaunlicherweise als First Minister (der nordirischen Regionalregierung) Freundschaft mit dem Deputy First Minister Martin McGuinness schloss. Damit war er für andere in seiner Partei ein Beispiel – ein Beispiel, das viele leider ignorierten. Es mag sein, dass er die gemeinsame Regierung als bessere Option wählte, um joint authority (eine gemeinsame Verwaltung Nordirlands durch Großbritannien und die Republik Irland) zu verhindern, aber er akzeptierte sie und spielte eine konstruktive Rolle.

Der zweite Grund, aus dem man sich an ihn erinnern wird – und ich sage das ungern über jemanden, der gerade erst gestorben ist, aber wir betrachten sein ganzes Leben – er war für etwa vierzig Jahre der Sammelpunkt aller Gegner von Bürgerrechten und all derer, die Katholiken verabscheuten. Ältere Leser mögen sich an die vom Fernsehn übertragene Debatte der Oxford Union erinnern – dies war bevor die Troubles in Nordirland begannen – als er sich öffentlich über den katholischen Glauben an das Sakrament der Messe lustig machte. Während der berühmten Battle of the Bogside 1969 (Schlacht der Bogside, als pro-britische Loyalististen das irisch-republikanische Viertel Bogside in Derry überfielen) nannten die belagerten Anwohner den angreifenden loyalistischen Mob „Paisleyiten“ – weil sie von Paisley aufgehetzt worden waren. Trotzdem möchte ich wie alle anderen der Familie mein Beileid für ihren schmerzlichen Verlust aussprechen:

Ar dheis Dé go raibh a anam – Möge er in Frieden ruhen.

Erstveröffentlichung (in englischer Sprache): weiterlesen >>


Ian Paisley: Wie der dunkle Stern des Nordens zum Friedensprinzen wurde

Niall O’Dowd, 13.9.2014

Eine lebenslange Reise vom Brandstifter zum Friedensstifter Ich war in Olbridge im County Meath, dreißig Meilen entfernt von Dublin, dort wo (1690) die Battle of the Boyne stattgefunden hatte, (in der der protestantische König Wilhelm III. von England den katholischen Jakob II besiegte), als Ian Paisley sich dort als First Minister von Nordirland auf Einladung des irischen Premierministers Bertie Ahern aufhielt. (Oranierorden marschieren am 12. Juli jeden Jahres im Gedenken an diesen Sieg). Es war eine außergewöhnliche Zeit, eine gemeinsame Regierung war aus der Asche des alten (nordirischen) Stormont-Regimes in Belfast entstanden und Ian Paisley teilte sich die Macht mit Martin McGuinness. Die Schlacht an der Boyne war eine der ikonischen Schlachtfelder der (pro-britischen) Unionisten in Ulster, so heilig wie Gettysburg oder die Strände der Normandie für Amerikaner. Es war undenkbar, dass ein protestantischer Führer in Nordirland offiziell zu einem Schlachtfeld eingeladen würde, an dem katholische Hoffnungen auf Unabhängigkeit gestorben waren, ähnlich wäre eine französische Einladung an die Briten, nach Waterloo zu kommen.

Und hier stand Paisley, damals trotz seiner 81 Jahre immer noch mit seiner kraftvollen Stimme, und machte physisch alle um ihn herum zu Zwergen. Als er um das Schlachtfeld ging, hatte man das tiefe Gefühl, einem historischen Moment beizuwohnen, dass die 350 Jahre alte Schlacht endgültig Geschichte wurde, nicht mehr zum jährlichen Kampfschrei für mehr fanatisch religiösen Hass. Wie der irische Außenminister Charlie Flanagan gestern bemerkte, war dies ein echter historischer Moment. Er sagte: „Ich erinnere mich speziell an die historische Begebenheit, als Dr. Paisley und seine Frau Eileen an der Eröffnung des historischen Battle of the Boyne – Kulturzentrums teilnahmen. Der Tag repräsentierte das, wofür viele jahrelang gearbeitet hatten, die Zusammenarbeit zwischen dem Norden und dem Süden mit Anerkennung unserer gemeinsamen Geschichte und kulturellem Erbe. Dr. Paisley hielt damals eine Rede und sprach über seine Liebe ‚dieser Insel, die wir gemeinsam bewohnen‘. Er sprach darüber, dass wir ‚das Beste für die Menschen in jedem Teil dieser Insel‘ wollen.“

Es war sicher ein Moment, in dem man sehen konnte, wie Geschichte gerade gemacht wird. Ohne Paisley hätte es keine gemeinsame Regierung in Nordirland gegeben. Kein anderer politischer Führer hatte sich eine ähnliche Glaubwürdigkeit bei den Hardlinern erarbeitet, die ihm ein Abkommen mit der verhaßten Sinn Féin erlaubte. Vergleichbar vielleicht mit dem Besuch von Nixon in China. Ehemals war Paisley der dunkle Stern der irischen Politik, in erbitterter Gegnerschaft zu jedem Kompromiss in Nordirland, Nordirland bleibt britisch. Er war von Beginn der Troubles an da, in der Tradition von Hugh Hanna, den sie den Brüller nannten, einem fundamentalistischen Prediger des späten 19. Jahrhunderts, der irische Selbstverwaltung und den Papst gleichermaßen verabscheute.

1963 führte Paisley einen Protestmarsch gegen das Senken des Union Jack zu Ehren des verstorbenen Papstes John 23. Ein Jahr später verursachte er schweren Aufruhr, als er verlangte, eine irische Trikolore in West Belfast zu entfernen. 1966 gab er die Gründung einer loyalistischen Gruppe zum Kampf gegen die irische Bürgerrechtsbewegung bekannt. Er sägte an den Stühlen verschiedener unionistischer Führer, sobald sie es wagten, Kompromisse zu schliessen. Terence O’Neill, Brian Faulkner, James Chicester Clark verloren ihre Macht, weil Paisley sie bekämpfte. Er selbst schien sich nie zu ändern. Er brachte 1974 das Sunningdale Agreement zu Fall und bekämpfte das Anglo-Irisch Agreement von 1985 erbittert. Seine Brandreden, die immer kurz vor dem offenen Aufruf zur Gewalt stoppten, brachten viele dazu, zu den Waffen zu greifen.

Aus amerikanischer Sicht war er reiner Bible belt (protestantischer Fundamentalist). Er hatte interessante Verbindungen zur Bob Jones Universität in South Carolina, wo er seinen Doktor bekam. Ein schlimmeres Bible belt College konnte man sich nicht vorstellen, die Universität wurde oft des offenen Rassismus bezichtigt. Paisley sah das College und die wiedergeborenen Baptisten als lukrative Spender für seine politische Partei, aber das hat sich nie verwirklicht. Ich konnte mich einmal in eine ihrer Veranstaltungen in Nord-Kalifornien einschleichen und sah den Prediger Paisley in vollem Gange. Es war schon ein faszinierender Anblick wie er das Buch der Offenbarungen interpretierte und das Publikum in einen Rausch versetzte. Eine solche Predigerbegabung führte zu vielen Problemen, als die Troubles starteten.

Aber in späteren Jahren sah er es als seine Priorität an, Frieden zu schliessen. Vielleicht war er wie viele andere Führungspersönlichkeiten von der Einsicht getrieben, dass man verhindern müsse, dass die Troubles in endlosen Schleifen auf die kommenden Generationen übergehen. Er kam während des IRA Waffenstillstands nach Amerika und durch eine seltsame Verquickung von Umständen waren er und ich Redner derselben Konferenz und kamen gleichzeitig als Erste an. Zehn Minuten standen wir herum, fühlten uns unwohl und machten weniger als Small Talk. Er fühlte sich außerhalb seiner normalen Umgebung sehr unwohl und verliess das anschliessende Abendessen so bald wie möglich. Aber als sich die Möglichkeit zum Frieden bot, ergriff er sie. Ich muss sagen, zu meiner großen Verwunderung. Ich hatte ihn als Bible belter eingeordnet, dessen Vorurteile gegen Katholiken zu tief saßen, um eine Annäherung zu erlauben.

Auch wenn er nicht lange First Minister war, war sein Einfluß enorm. Martin McGuinness lobte ihn als einen Mann, der sein Wort hielt – absolut notwendig für die Funktionsfähigkeit der (nordirischen) Regionalregierung. Jetzt ist er nicht mehr, eine kontroverse Persönlichkeit, die beide Rollen, die des Unruhe- und die des Friedensstifters, innehatte. Er ist der Beweis dafür, dass selbst der schlimmste Imperialist sich ändern kann – ein hoffnungsvoller Gedanke, wenn wir uns in Nordirland und in anderen Konfliktherden umsehen und Imperialisten überall am Werk sehen. Am Schluss liess er ein Licht leuchten, das die Dunkelheit durchbrach.

Erstveröffentlichung (in englischer Sprache): weiterlesen >>