»I am truly sorry«

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Gedenken an Thomas BegleyNordirland erinnert an Anschlag vor zwanzig Jahren. Attentäter bittet um Verzeihung

In Belfast wird heute an die Opfer eines Bombenanschlags der IRA vor 20 Jahren erinnert. Angehörige und Freunde wollen sich vor einem ehemaligen Fischgeschäft auf der Shankill Road versammeln, einer beliebten Einkaufsstraße und Hochburg pro-britischer Paramilitärs in Nordirland. Am 23. Oktober 1993 starben dort zehn Menschen, als ein Sprengsatz explodierte. Neben acht Zivilisten wurden ein Mitglied der pro-britischen Miliz »Ulster Defence Association« (UDA) sowie der Attentäter getötet.

Bereits am Sonntag hatte die irisch-republikanische Bewegung an den beim Anschlag getöteten IRA-Mann Thomas Begley erinnert. An einer Kundgebung mit mehreren hundert Teilnehmern beteiligten sich auch hochrangige Politiker der Linkspartei Sinn Féin sowie der zweite an dem Anschlag beteiligte Täter.

Sean Kelly erläuterte bei der Veranstaltung die Hintergründe der IRA-Aktion, die so »tragisch geendet« habe. Es sei niemals Ziel seiner Organisation gewesen, Zivilisten zu töten. Er entschuldige sich aufrichtig dafür, welches Leid der Tag gebracht habe und welche Schmerzen die Familien der Opfer verspürten. »I am truly sorry«, zitierte ihn der Belfast Telegraph.

Kelly wartete damals vor dem Geschäft und sollte das Fluchtauto steuern. Er wurde ebenfalls schwer verletzt. Ein Gericht verurteilte ihn später zu lebenslanger Haft, nach dem nord­irischen Friedensabkommen kam er im Jahr 2000 frei.

Eigentlich hatte der Anschlag einer Sitzung der UDA-Miliz gegolten, die ihre Räumlichkeiten damals oberhalb des Geschäftes hatte. Die IRA hatte das Gebäude observiert und wollte mit einem Schlag die Führung der UDA ausschalten, da die Organisation Todesschwadrone unterhielt. Am 23. Oktober sah ein Späher der IRA einen hochrangigen UDA-Führer in das Gebäude gehen. In Ardoyne startete daraufhin das zweiköpfige Bombenkommando. Thomas Begley trug den Sprengsatz, der mit einer Verzögerung von wenigen Sekunden programmiert war, in das belebte Geschäft. Nach einer entsprechenden Warnung sollten Kunden genügend Zeit zur Flucht haben. Für ein Verlassen der oberen Etage war die Verzögerung jedoch zu kurz.

Der Plan schlug fehl, die Bombe explodierte zu früh. Die Detonation zerstörte das Geschäft und das Stockwerk darüber; zehn Personen starben. Das eigentliche Ziel traf der Anschlag nicht, das UDA-Treffen war für diesen Tag abgesagt worden.

Als Rache für den Anschlag ermordeten Kommandos der UDA daraufhin binnen weniger Tage 14 Menschen. Die Opfer wurden willkürlich ausgewählt, waren jedoch zumeist irische Katholiken. Am 30. Oktober 1993 überfiel die UDA eine Halloweenparty in einem Pub nahe Derry. Acht Gäste wurden erschossen, 13 Personen verletzt.

Die »Ulster Defence Association« war die größte paramilitärische Organisation, die für einen Verbleib Nordirlands im Vereinigten Königreich eintrat. Für die Zeit des Krieges in Nordirland ist sie für 260 politische Morde verantwortlich. Fast 80 Prozent ihrer Opfer waren zufällig ausgewählte Zivilisten, die keine Verbindung zur republikanischen Bewegung hatten.


Erstveröffentlichung:  Junge Welt vom 23.10.2013 weiterlesen >>

Foto (An Phoblacht, 22.10.2013): Thomas Begley’s Vater Billy und Seán Kelly umarmen sich während der Gedenkfeier in Ardoyne, bei der eine Tafel zum Gedenken an Thomas Begley enthüllt wurde.

Hintergrundinformation: Zum Nordirlandkonflikt, zur Motivation der IRA-Freiwilligen und zur Konfliktlösung siehe das Interview mit dem ehemaligen IRA Mitglied und heutigen Sinn Féin Abgeordneten Pat Sheehan:
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Hintergrundinformation: Der nordirische Friedensprozess weiterlesen >>