Jude Collins, Belfast: Ich habe kürzlich von einem der intelligentesten Menschen, die ich kenne, die elektronische Version eines Büchleins bekommen. Geschrieben hat es mein alter Klassenkamerad Eamonn McCann und das Buch heisst „Weiter aufklären – Bloody Sunday und die anhaltende Suche nach Gerechtigkeit“.
Weiter aufklären!
Was soll das – denkst Du Dir. Ist das nicht alles durch die Entschuldigung von David Cameron erledigt? Dass es natürlich falsch von den staatlichen Sicherheitskräften war, vierzehn Leute am hellichten Tag niederzuschiessen, dass die Entschuldigung aber alles erledigt?
Bloody Sunday kein Ausrutscher
McCann hat unermüdlich und auf intelligente Weise die vielen Jahre der Saville-Untersuchung begleitet. Seine Schlußfolgerung in diesem Buch bringt die Probleme des Saville-Berichts auf den Punkt: der Bericht weist niedrigen Chargen die Schuld zu. In anderen Worten versucht er, Bloody Sunday als unglücklichen Ausrutscher zu bezeichnen, sicherlich untypisch für die hoch-disziplinierte britische Armee, und höchstens autorisiert durch relativ rangniedere Offiziere.
Keineswegs. McCann verweist insbesondere auf die ungeschickte und arrogante Aussage des Generals Sir Mike Jackson, derzeit einer der Ranghöchsten in der britischen Armee. Damals an Bloody Sunday war er ein Offizier vor Ort in der Bogside von Derry (irisches Viertel, in dem die Bürgerrechtsdemonstration damals startete. Die Schüsse der Fallschirmspringer-Eliteeinheit 1-Para fielen an der Grenze zwischen der Bogside und der Innenstadt von Derry). Sofort nach dem Ende der Schüsse begann Jackson, Notizen zu schreiben und Skizzen aufzuzeichnen, um zu belegen, dass alle Opfer bewaffnet waren und alle Schüsse der britischen Einheit 1-Para aus Notwehr erfolgten.
McCann weist darauf hin, dass dies dieselbe Einheit war, die nur einige Monate zuvor in Ballymurphy elf Zivilisten abschlachtete und die auf den Falklands ihre Tradition auslebte, den von ihnen getöteten argentinischen Soldaten die Ohren abzuschneiden und sie in ihrer Gürteltasche aufzubewahren. Jacksons Notizen und Skizzen stimmten natürlich nicht mit den Fakten überein. Vor der Saville Untersuchungskomission konnte er sich nicht an sie erinnern, konnte sich an eine Menge Zeug nicht erinnern, darunter auch, wie informiert die Regierung in London im Vorfeld dieses Amoklaufs ihrer Armee war. Das ist aber für die Angehörigen der Bloody Sunday Opfer genau die zentrale Gerechtigkeits-Frage: werden diejenigen, die ursprünglich den Einsatzbefehl gaben und diejenigen in der Regierung, die ihn genehmigten – werden die zur Verantwortung gezogen? Oder werden – wie es bisher der Fall ist – einzelne weit unten in der Hierarchie mit aller Schuld beladen, während hohe Militärs und Politiker davonkommen, die Hände nicht nur sauber sondern rein.
Original (in englischer Sprache, 3. Feb. 2014): jude-collins.com >>
Übersetzung: Uschi Grandel, 4. Februar 2014
Siehe auch: „Bloody Sunday – die Wahrheit kam zu guter Letzt ans Licht“ vom 30. Januar 2011 weiterlesen >>